Ob Quastenflosser, Schnabeltier oder Mammutbaum – lebende Fossilien faszinieren mit ihrer fremdartigen Ausstrahlung und ihrem urtümlichen Aussehen. Doch was sind lebende Fossilien eigentlich?
Lebende Fossilien oder Dauertypen sind Arten oder Taxa (Einheit von Lebewesen), deren Körpermerkmale über lange Zeit (hier sind Jahrmillionen gemeint) mehr oder minder gleich geblieben sind. Das heißt, die Strukturen, die in Fossilien nachweisbar sind, dürfen sich kaum verändert haben.
Lebende Fossilien als uralte Tier- und Pflanzengruppen
Der Begriff „lebende Fossilien“ wurde bereits von Charles Darwin in seinem Werk „Über die Entstehung der Arten“ geprägt. Typisch für lebende Fossilien ist die Tatsache, dass es sich um eine geologisch alte Tier- oder Pflanzengruppe handelt.
Meist ist das Vorkommen der rezenten (noch existierenden oder erst kürzlich ausgestorbenen) Art räumlich deutlich eingeschränkt im Gegensatz zur ursprünglichen Art der lebenden Fossilien. Typisch sind Inseln oder Gebirgstäler, die als Lebensraum isoliert und weitgehend unverändert sind. Die meisten lebenden Fossilien haben in ihrem Lebensraum keine Konkurrenten und keine natürlichen Feinde.
Durch ihr im Gegensatz zur ursprünglichen Art wenig verändertes Aussehen, haben sie oft deutlich altertümliche Merkmale. Ihre systematische Stellung unter den rezenten Arten ist meistens isoliert, sie haben keine nahen Verwandten.
Sowohl unter den Tieren als auch unter den Pflanzen gibt es bekannte und weniger bekannte Arten. Im Folgenden einige Beispiele.
Ginkgo – Fächerblätter für die Medizin
Der Ginkgo oder Ginkgo biloba bildet eine eigene Baumfamilie. Ginkgopflanzen gab es schon vor 290 Millionen Jahren.
Ginkgos sind Nacktsamer wie die Nadelbäume, werfen aber ihre Blätter ab wie Laubbäume. Sie werden bis zu 40 Metern hoch. Charakteristisch sind die fächerförmigen Blätter. Die Rinde ist leicht feuerresistent. Er kommt natürlich nur noch im Westen Chinas vor, ist jedoch als Kulturpflanze weit verbreitet. Seine Blätter verwendet die Medizin vorwiegend bei Demenzerkrankungen.
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Schachtelhalm – Stabilitätskünstler für feuchte Zonen
Der Schachtelhalm oder Equisetum gehört botanisch zu den Farnen. Als Fossilien sind sie aus dem Devon nachgewiesen, vor 375 Millionen Jahren. Damals wurden einzelne Arten bis zu 30 Metern hoch.
Charakteristisch ist der Aufbau. Jeder Spross besteht aus Knoten und Internodien, den dazwischenliegenden Teilen. Schachtelhalme vermehren sich über Sporen und Rhizome. In ihren Zellwänden lagern sie Silicat ein. Schachtelhalme kommen weltweit vor, sie bevorzugen feuchte Standorte. Der Schachtelhalm wird in der Medizin bei Harnwegserkrankungen angewendet, äußerlich bei schlecht heilenden Wunden.
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Baumfarne – Urtypen im Regenwald
Baumfarne oder Cyatheales sind eine Ordnung der Farne. Fossilien kommen bereits im Karbon vor – Baumfarne gibt es also seit über 300 Millionen Jahren.
Baumfarne sind vom Aussehen her unterschiedlich. Typisch sind die gefiederten Farnwedel mit einem Meter Länge bei erwachsenen Exemplaren. Viele Arten bilden einen Stamm aus, einige Rhizome. Der Stamm wächst nicht in die Breite. Bei einigen Arten ist er geschuppt.
Baumfarne kommen vor allem in den tropischen Regenwäldern vor, sie vertragen keine Trockenheit.
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Urweltmammutbaum – neuentdeckter Uralter
Der Urweltmammutbaum oder Metasequoia glyptostroboides wurde erst im Jahr 1941 entdeckt, vorher war er nur aus Fossilienfunden bekannt.
Er ist ein sommergrüner Nadelbaum. Er wird 35 bis 40 Meter hoch. Die Rinde ist an den Zweigen zunächst grün, ab dem zweiten Jahr graubraun. Am Stamm hat er eine Borke, bei Jungbäumen rotbraun, später grau, die abblättert.
Der Urweltmammutbaum kommt natürlich nur in eng begrenzten Räumen in China vor, im Tertiär und der oberen Kreide war er deutlich weiterverbreitet, er ist also über 100 Millionen Jahre alt und ein echtes lebendes Fossil.
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Schnabeltier – Entenschnabel und Fell
Das Schnabeltier oder Ornithorhynchus anatinus gehört zu den Kloakentieren. Es wird 30 bis 40 cm lang plus einer Schwanzlänge von 10 bis 15 cm. Es ist flach gebaut. Auffällig ist sein Schnabel, der dem einer Ente ähnelt.
Es ist ein eierlegendes Säugetier. Zwischen den Fingern besitzt es Schwimmhäute, sein Fell ist wasserabweisend. Das Schnabeltier kommt nur in Australien vor. Von der Gattung Ornithorhynchus gibt es Nachweise, die 4,5 Millionen Jahre alt sind, vom Schnabeltier sind nur relativ junge, 100.000 Jahre alte, erhalten.
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Quastenflosser – im Wasser und an Land
Quastenflosser oder Coelacanthiformes sind eine Gruppe der Knochenfische und seit dem Devon nachgewiesen. Es gibt sie also seit über 400 Millionen Jahren.
Sie werden bis zu 2 Metern lang und bis zu 100 kg schwer. Ihre Schuppen sind rau und die Flossen fleischig, muskulös und wurden wohl zur Fortbewegung an Land verwendet. Die vordere Rückenflosse sieht stachelig aus. Sie haben ein Organ, das es ihnen erlaubt, auch Luft zu atmen.
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Triops – lebendes Fossil für Aquaristiker
Triops oder Urzeitkrebse kommen ausschließlich im Süßwasser vor. Sie sind Spezialisten für ihren Lebensraum: nur kurzzeitig bestehende Gewässer. Die geschlechtsreifen Tiere legen Dauereier, die viele Jahre lang bei Trockenheit überstehen können. Wenn es wieder feucht wird, schlüpfen innerhalb von 48 Stunden die Larven, die sich innerhalb weniger Tage zu geschlechtsreifen Exemplaren entwickeln. Sie haben eine Rückenschale, die den Körper schützt, und drei Augen und werden 5 bis 9 cm lang. Sie sind bereits im Keuper nachgewiesen und etwa 220 Millionen Jahre alt.
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Lebende Fossilien: Neunaugen
Neunaugen oder Petromyzontiformes wirken wie Fische, sie sind aber strenggenommen keine. Ihr Maul ist eine runde, zahnbesetzte Scheibe – Fische haben Kiefer und Unterkiefer. Fossilien sind selten, da Neunaugen keine Knochen haben, es gibt jedoch eine 360 Millionen Jahre alte Versteinerung aus Südafrika.
Neunaugen haben im Gegensatz zu Fischen einen zweistufigen Lebenszyklus: Die Larven sehen wurmartig aus und leben von Plankton, die Adulten leben parasitär an Fischen. Je nach Art werden Neunaugen 20 cm bis 75 cm lang. Sie haben nur zwei Augen, aber Kiemenöffnungen und die Nasenöffnung sehen wie weitere Augen aus.
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Pfeilschwanzkrebse – Blutspender für die Pharmaindustrie
Pfeilschwanzkrebse oder Limulidae sind keine Krebse, sondern bilden eine Schwesterngruppe der Spinnentiere. Sie tauchten vor ungefähr 250 Millionen Jahren auf und existieren seitdem nahezu unverändert.
Sie werden bis zu 85 cm lang. Fünf ihrer neun Augen liegen auf dem hufeisenförmigen Rückenpanzer. Sie waren zu ihren Hochzeiten weit verbreitet, kommen jetzt jedoch nur noch in Südostasien und an der amerikanischen Atlantikküste vor. Sie leben auf dem Meeresboden, zur Eiablage kommen sie an Land. Da ihr Blut für pharmazeutische Zwecke genutzt wird und die Lebensräume zunehmend zerstört werden, sind sie wieder zunehmend gefährdet.
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Koboldhai – Urhai mit langer Nase
Der Koboldhai oder Mitsukurina owstoni ist eine Art Urhai, der als einziger dieser Gattung heute noch lebend vorkommt. Sein Maul liegt noch weit vorne und nicht wie bei heutigen Arten unter dem Kopf, die Flossen sind auch etwas anders angeordnet. Über dem Maul hat der Koboldhai ein langes Rostrum, das ihm auch den Namen „Nasenhai“ einbrachte.
Seit 125 Millionen Jahren gibt es diese Art. Er kommt in der Tiefsee zwischen 100 und 1.300 Metern Tiefe vor, jedoch nur in isolierten Gebieten. Bis jetzt sind nur wenige Tiere dieser Art gefangen worden, so dass davon auszugehen ist, dass sie sehr selten ist.
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Ameisenigel – Bruder des Schnabeltiers
Ameisenigel oder Tachyglossidae sind wie das Schnabeltier Kloakentiere. Sie werden je nach Art 35 bis 77 cm lang. Sie haben hohle, bis zu 6 cm lange Stacheln. Obwohl sie dem Igel ähnlich sehen, sind sie nicht mit ihm verwandt.
Ameisenigel ernähren sich von Insekten und Würmern. Wenn sie sich bedroht fühlen, graben sie sich in die Erde ein, so dass nur der stachelige Rücken herausguckt. Der in Australien vorkommende Kurzschnabeligel ist dort recht häufig. Der in Neuguinea vorkommende Langschnabeligel gilt dort als Delikatesse und ist bedroht.
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Kragenhai – Urhai voller Rätsel
Der Kragenhai oder Chlamydoselachus anguineus ist eine altertümliche Haisorte. Sein Körper ist schlangenartig langgezogen und kann bis zu 2 Meter lang werden, das männliche Tier ist mit 1,50 m etwas kleiner. Das stumpfe Maul liegt ganz vorne am Kopf und ist sehr groß. Es gibt kein Rostrum.
Über die Lebensweise des Kragenhais ist so gut wie nichts bekannt. Er lebt wahrscheinlich im tiefen Freiwasser. Ähnlichkeiten seiner Zähne mit fossilen Zähnen sind deutlich, jedoch kann nicht eindeutig festgestellt werden, ob es sich beim Kragenhai um ein lebendes Fossil handelt.
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Lungenfische – Trockenkünstler im Wasser
Lungenfische oder Dipnoi sind Knochenfische. Ihren Namen haben diese lebenden Fossilien daher, dass sie sowohl Kiemen als auch eine Lunge haben. Sie werden 44 cm bis 170 cm lang. Rückenflosse, Schwanzflosse und Afterflosse sind zu einem Flossensaum zusammengewachsen.
Lungenfische bewohnen stehende oder langsam fließende Gewässer. Sie ernähren sich von Krebsen, Insektenlarven, Schnecken und langsamen Grundfischen. Vor etwa 250 Millionen Jahren waren sie weit verbreitet, heute kommen sie noch in Australien, Südamerika und Afrika vor. Südamerikanische und Afrikanische Lungenfische können Trockenzeiten in einer Schlamm- und Schleimkapsel jahrelang überleben.
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Schlitzrüssler – giftige Rüsseltiere
Schlitzrüssler oder Solenodontidae sind spitzmausähnliche Säugetiere aus der Ordnung der Insektenfresser. Sie kommen nur auf den Karibischen Inseln vor und sind vom Aussterben bedroht. Sie werden 28 cm bis 39 cm lang plus einer Schwanzlänge von 18 bis 26 cm. Sie haben eine verlängerte Nase, die von einem Rüsselknochen gestützt wird.
Schlitzrüssler produzieren ein Nervengift, das durch eine Furche im Schneidezahn in die Wunde des Beutetiers injiziert wird. Schlitzrüssler sind nachtaktiv.
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Riesensalamander – Schwanzlurch im Großformat
Riesensalamander oder Cryptobranchidae sind urtümliche Schwanzlurche. Sie werden bis zu 1,50 m groß. Sie haben vorne und hinten ausgehöhlte Wirbel. Ihr Kopf ist breit und flach, die Gliedmaßen kurz. Die Kiemen werden im dritten Lebensjahr zurückgebildet, es bleiben jedoch die Larvenzähne und die degenerierten Augen.
Riesensalamander leben im Wasser. Sie lauern auf dem Grund nah ihren Beutetieren. Riesensalamander gab es schon vor 20 Millionen Jahren, damals auch in Europa. Heute kommen in China, Japan und den USA jeweils eine eigene Art vor.
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Lebende Fossilien: Die Brückenechse
Die Brückenechse, Tuatara oder Sphenodon punctatus wird etwa 50 bis 75 cm lang. Namensgebend ist ein unterer Schläfenbogen, die Brücke.
Brückenechsen sind im Gegensatz zu anderen Reptilien auch bei relativ niedrigen Temperaturen aktiv und in der Lage, Beutetiere zu fangen. Sie sind kräftig gebaut und haben einen Rückenkamm aus verlängerten Hornplättchen. Sie ernähren sich von Wirbellosen. Nahe Verwandte der Brückenechsen sind fossil vor 240 Millionen Jahren nachweisbar. Brückenechsen kommen nur in Neuseeland vor, sie sind stark bedroht.
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Perlboote – rätselhafte Wasserbewohner
Perlboote oder Nautilidae sind eine Kopffüßerfamilie, die vor ungefähr 40 Millionen Jahren in einer großen Fülle von Arten verbreitet war. Sie haben ein spiralig aufgerolltes Gehäuse mit Zwischenwänden. In der vorderen und größten Kammer befindet sich der große Teil des Perlboots.
Das Gehäuse kann einen Durchmesser von bis zu 25 cm erreichen. Perlboote leben in tropischen Gewässern, meistens in der Nähe von Riffen, ausschließlich im indischen Ozean und im westlichen Pazifik. Sie ernähren sich vorwiegend von Krebsen.
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Boten aus vergangenen Zeiten
Lebende Fossilien sind Schätze, sind Boten aus längst vergangenen Zeiten, die der Evolution widerstanden und diverse Naturkatastrophen und Veränderungen überlebt haben.
Der Mensch sollte Respekt vor ihnen haben und achtsam mit ihnen umgehen, sonst überleben sie den Menschen nicht.